„Mit unseren Ideen finden wir Gehör“
Gary S. Schaal in den GIDS-Vorstand gewählt
#GIDSnews | 23. März 2021| Autorin: Dr. Victoria Eicker | Foto: Bundeswehr
Die Denkfabrik der Bundeswehr hat eine neue Führungsspitze: Professor Dr. Gary S. Schaal komplettiert den Vorstand des German Institute for Defence and Strategic Studies, kurz GIDS. Gemeinsam mit Oberst i. G. Professor Dr. Matthias Rogg führt er nun den Thinktank mit Sitz in Hamburg, an dem zivile und militärische Wissenschaftler zu Zukunftsfragen rund um Sicherheit und Streitkräfte forschen. Dabei bringt der Politologe, der unter anderem an der Helmut Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU) lehrt, neue Themenbereiche und Perspektiven ein. Die Redaktion hat mit ihm über sein Portfolio und seine Ziele für die Denkfabrik gesprochen.
Herr Professor Schaal, Sie sind jetzt in den Vorstand des GIDS gewählt worden. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe Ende 2020 von meinem Kollegen, dem Historiker Professor Dr. Burkhard Meißner, den Posten als Vorstand des GIDS übernommen. Es ist ein kollegialer Vorstand zwischen mir und Oberst i.G. Professor Dr. Rogg seitens der Führungsakademie der Bundeswehr. Einem Rotationsprinzip der Universität folgend hat mich der Senat der HSU in den Vorstand des Bundeswehr-Think Tanks gewählt. Verankert ist die Denkfabrik an der Universität durch das NIKA, das Netzwerk für Interdisziplinäre Konfliktanalysen, dessen Sprecher ich nun ebenfalls bin. Mein Kollege Meißner bleibt mein Stellvertreter. Ich betreue im NIKA derzeit drei Projekte für das GIDS. Durch die doch sehr unterschiedlichen Projekte eines Politologen und eines Historikers erhöhen wir die Pluralität der Forschung und ermöglichen unterschiedliche Perspektiven. Wir wollen eine multidisziplinäre Perspektive auf relevante sicherheitspolitische Fragen eröffnen. Wir haben unterschiedliche Blickwinkel auf dieselben Phänomene – beispielsweise, wenn es um die inhaltliche Schärfung des Begriffs Strategie geht. Die unterschiedlichen Perspektiven bereichern die Forschung und Diskussion. Gemeinsam mit den militärischen Experten an der Führungsakademie schaffen wir so eine geballte intellektuelle Kraft.
Welche Themenschwerpunkte bringen Sie in die Denkfabrik ein?
Ich leite seit vier Jahren den interdisziplinären Forschungsschwerpunkt Maritime Sicherheit, kurz iFMS. Wir beschäftigen uns dort mit der Frage, was die Sicherheitslage in Deutschland im Kontext des Maritimen beeinflusst. Wie verhält es sich mit der Sicherheit von Handelsrouten, Piraterie, hybriden Angriffen auf Schiffe oder das Hijacken von teilautonomen Schiffen. Grundlegend ist dabei die Frage, wie man Güterströme sichern und Wirtschaftsbeziehungen in einer zunehmend vernetzten Welt sinnvoll gestalten kann. Es gibt vermutlich keinen Bereich in der Wirtschaft, der per se so globalisiert und internationalisiert ist wie maritime Ökonomie. Maritime Sicherheit ist dabei ein zentraler Aspekt. Auffällig ist, dass technische Sicherheitsfragen (safety) immer enger mit militärischer Sicherheit (security) zusammenhängen. Man kann das nicht mehr klar trennen. Ich habe auch am Runden Tisch „Maritime Sicherheit“ der Bundesregierung als Vertreter des Bundesministeriums der Verteidigung teilnehmen. Und das führt mich zu dem Punkt: Lösungen für maritime Sicherheitsprobleme können nur ressortübergreifend angegangen werden, das erfordert vernetzte und komplexe Ansätze. Ich beschäftige mich aber auch mit Digitalisierung und Cybersicherheit. Wir erforschen Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur, aber auch hybride Angriffe, die beispielsweise die Meinungsöffentlichkeit mit Fehlinformationen beeinflussen. Und letztlich ist künstliche Intelligenz einer meiner weiteren Forschungsschwerpunkte. Hier interessiert mich insbesondere die Frage, wo und wie man künstliche Intelligenz sinnvoll im militärischen Bereich nutzen kann – zum Beispiel, wie man Entscheidungen in Gefechtssituationen besser und fundierter treffen kann. Aber natürlich geht es auch darum, wie man die Analysen künstlicher Intelligenz vor Manipulation schützen kann und welche ethischen Prinzipien zu bedenken sind.
Herr Schaal, was haben Sie sich vorgenommen für Ihre Zeit als Vorstand des GIDS?
Zunächst verstehe ich mich als Wissenschaftsmanager und Science Facilitator, im Sinne eines Wissenschaftsvermittlers. Ich möchte die unterschiedlichen thematischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte der GIDS-Mitarbeiter des gemeinsam mit meinem Kollegen Rogg bündeln. Ziel ist es, die Analysen der Denkfabrik vielschichtig und intellektuell facettenreich zu erstellen, um durch sie einen Mehrwert zu erzeugen, den andere Think Tanks so nicht erbringen können. Dazu ist das breite Fachwissen von Ökonomen, Historikern, Soziologen, Juristen, Politikwissenschaftlern sowie vor allem militärische Expertise erforderlich. Ich möchte dazu beitragen, das GIDS noch intensiver mit anderen Institutionen aus dem politischen, wissenschaftlichen und militärischen Bereich zu vernetzen.
Was planen Sie konkret?
Ich unterstütze von HSU-Seite seit kurzer Zeit den Aufbau des Cyber-Security-Clusters Nord als Teil der Cyberagentur. Diese Agentur, im vergangenen Sommer von der Bundesregierung gegründet, soll Deutschland besser vor Cybergefahren und -angriffen schützen und greift auf unterschiedliche Cluster mit verschiedenen Schwerpunkten zurück. Wir im Cluster Nord beschäftigen uns unter anderem mit der Frage, wie man Gesellschaften widerstandsfähiger machen kann. Es geht zum Beispiel darum, Nutzer für die Gefahren im Cyberraum zu sensibilisieren, insbesondere in Bezug auf das Internet of Things. Ich habe bereits ein Pilotprojekt zum Thema Sicherheit im Internet of Things eingereicht und möchte das GIDS einbinden.
Was wünschen Sie sich für das GIDS?
Gemeinsam mit meinem Kollegen Rogg möchte ich die Interdisziplinarität und die Vernetzung der Denkfabrik vorantreiben. Ebenso möchte ich die Zusammenarbeit mit der Universität vertiefen und meine Forschungsprojekte, wenn möglich, mit dem GIDS verschränken. Ich möchte Schnittstellen finden sowie die Kommunikation und Vernetzung vorantreiben. Anders als andere Think Tanks haben wir einen Ansprechpartner im Ministerium, können mit unseren Ideen dort auch Gehör finden und dementsprechend wirksam sein. Obwohl wir mit unseren Argumenten natürlich auch den öffentlichen Diskurs bereichern wollen. Ziel muss es sein, die akademische Exzellenz des GIDS auszubauen und darauf fußend fundierte Politikberatung zu leisten.