Was ist Strategie?
Erste Strategietagung des GIDS am 29. Juni 2018
Autor: Christoph Weigmann
#GIDSnews I 2. Juli 2018
Was ist Strategie? Welche Bedeutung hat Strategie in den verschiedenen Bereichen von Politik, Gesellschaft und Kultur? Welchen Einfluss hat Strategie auf Entscheidungsprozesse? Wie wird Strategie rationalisiert, operationalisiert und kommuniziert? Und was kann die Bundeswehr daraus lernen? Mit dieser Thematik befasste sich die erste Tagung des German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) am 29. Juni 2018. Namhafte Experten aus Gesellschaft, Wirtschaft, Kirche, Kultur, Politik, Sport und Militär stellten strategische Konzepte und die zentralen Herausforderungen ihrer Bereiche zur Diskussion.
Herzlich begrüßt wurden die Gäste durch den Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr (FüAk), Brigadegeneral Oliver Kohl. Die Führungsakademie ist zusammen mit der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr (HSU) einer der beiden Kooperationspartner und Träger des GIDS.
Die beiden Leiter des GIDS, Oberst Professor Dr. Matthias Rogg und Professor Dr. Burkhard Meißner, führten thematisch in die Tagung ein. Dabei machte Rogg die Zielsetzung des GIDS noch einmal deutlich. „Der Auftrag der Ministerin war klar formuliert: Beim GIDS geht es um strategische Beratung. Doch inhaltlich musste der Auftrag mit Leben gefüllt werden.“ Vorlage für die inhaltliche Aufstellung der Forschungsfelder des GIDS sei das Weißbuch des Verteidigungsministeriums gewesen. Hier wurden insbesondere die Bereiche definiert, in denen es konkreten Beratungs- und Forschungsbedarf gibt, der noch von keinem anderen vergleichbaren Institut abgedeckt wird. Insgesamt gehe es zunächst um eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Begriff „Strategie“.
Sachlogik und Kreativität
Meißner zeigte die Entwicklung der Bedeutung des Begriffs des Strategen von den Perserkriegen bis zur heutigen Zeit auf. Wurde in der Antike vom Strategen neben der Beratung bei den Operationen auch die rechnerische exakte Planung und Abrechnung der Heeresführung verstanden, so entwickelte sich der Stratege nach und nach zu einem Amtsträger. „Zu allen Zeiten galt jedoch, dass Strategie sowohl der Sachlogik als auch der Kreativität folgt. „Beides wird erwartet“, so Meißner. „Strategie ist heute eine Wissenschaft geworden, interdisziplinär verstanden und Teil der Politik.“ Diese Tagung sollte – so die beiden Vorstände weiter – Anregungen liefern, um dem „schillernden“ Begriff der Strategie mehr Klarheit und Kontur zu verleihen. „Und wer strategisch beraten will, muss andere Strategien kennen.“ Darum ginge es in dieser Tagung.
Panel 1: Institution und Strategie
Im ersten Panel stand das Thema Institution und Strategie im Vordergrund. Unter der Moderation von Direktor Jörn Thießen wurden die Erfahrungen von Generalvikar Monsignore Klaus Pfeffer vom Bistum Essen, Wilfried Schulz, Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses und Professor Dr. Klaus Beckmann, Präsident der HSU, in einem anregenden Gespräch zu einem lebhaften Austausch gebracht.
Pluralität und Vielfalt in der Kirche
„Über die Notwendigkeit einer Strategie wurde in der Kirche lange nicht nachgedacht“, argumentierte Monsignore Klaus Pfeffer. „Dass die katholische Kirche bestand, war einfach eine Selbstverständlichkeit. Man wurde in das katholische Milieu hinein geboren und dort sozialisiert.“. Seit den späten 60er Jahren hat sich dieses verändert, wie Pfeffer sagte, „Heute haben die Kirchen oftmals noch nicht begriffen, dass die Menschen frei geworden sind im Denken und Entscheiden. Sie schließen sich einem Weg nur noch aus Überzeugung an.“ Auf diese Entwicklung war das Bistum nicht vorbereitet. „Strategisch geht es in Essen um die Frage: Wo wollen wir hin angesichts von Pluralität und Vielfalt?“
Theater in der Gesellschaft
Aus einer ganz anderen Perspektive wurde das strategische Vorgehen in der Theaterwelt verdeutlicht. Mit Wilfried Schulz war ein Intendant Gast auf der Tagung, der in seinem beruflichen Werdegang bereits mehrere Staatstheater und Theater zu einer wirtschaftlich und kulturell bedeutsamen Institution gemacht hat. Mit dem Staatstheater Düsseldorf übernahm er im Jahr 2016 ein Ensemble ohne Theater, denn mit seinem Vertragsbeginn fiel die Schließung seines Hauses für mehrjährige Umbauarbeiten zeitlich zusammen. Für Schulz geht es strategisch um die Frage „Wie können wir unseren Beitrag (der Beitrag der Theater, Anm. d. Autors) dazu leisten, dass der Besuch des Theaters wieder selbstverständlicher Teil des Lebens wird?“ Und weiter führte er aus: „Heute geniert sich auch ein Vorstandsmitglied nicht zu sagen, dass er seit dreißig Jahren kein Theater mehr besucht hat.“ Dabei sei das Theater der Raum, in dem die gesellschaftlichen Probleme artikuliert werden, denn das Theater habe die Aufgabe der Politik übernommen, sich mit den Problemen der Menschen auseinanderzusetzen. Es geht Schulz dabei um die Frage, dass die Gesellschaft sich wieder der Frage stellt, wie ein Miteinander, ein gemeinsames Leben aussehen könnte: „Wie wollen wir leben?“ Konkret arbeitet Schulz an der Strategie, den Ruf des Düsseldorfer Schauspielhauses weiter auszubauen – derzeit mangels eigenen Theaters durch die Aufführung an unterschiedlichsten Orten.
Professor Klaus Beckmann hatte strategische Fragestellungen anderer Art zu beantworten. Mit seinem Amtsantritt galt es, den Verwaltungsbau der Universität zu reorganisieren und die Universität vorzubereiten, in das Exzellenzcluster der deutschen Universitätswelt aufzusteigen. Die wesentliche strategische Aufgabe verdeutlicht sich in dem Leitbild einer Universität. Hier geht es um die Frage „Wer wollen wir sein?“ Die besondere Strategieleistung besteht dann in der Verteilung knapper Ressourcen.
Panel 2: Sport, Gesellschaft, Strategie
In dem zweiten Panel standen Strategien im Sport im Mittelpunkt der Diskussion. Dr. Michael Vesper, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Sportbundes (DOSB) und jetziger Präsident des deutschen Galoppsportverbandes, steht vor der aktuellen strategischen Aufgabe, den deutschen Galoppsport wieder im Spitzensport zu positionieren. Er formulierte drei Voraussetzungen für den Erfolg: Der Sport muss interessant sein für ein großes Publikum. Es müssten Geschichten erzählt werden und schließlich muss die Sportart, um die es geht, das Lebensgefühl einer Generation widerspiegeln.
Christoph Holstein, Staatsrat Sport im Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, erläuterte die Strategie der Metropole als „Active City“. Ausgangspunkt waren die gescheiterte Olympiabewerbung Hamburgs und der Wille des Senats, die für die Bewerbung erarbeiteten umfangreichen Pläne einer Weiterentwicklung des Sportbereichs in Hamburg nicht einfach ad acta zu legen. „Wir hatten ein nachhaltiges Konzept. Hamburg und die Hamburger sollten gerade auch nach Olympia noch weiter von den getätigten Investitionen profitieren.“ Ein Masterplan „Active City“ wurde erstellt, der nun sukzessive umgesetzt wird und den Spitzen-, viel mehr aber noch den Breitensport fördert und gleichzeitig die Metropole Hamburg prägten soll.
Der Geschäftsführer von Upsolut Sports, der Erfinder der Cyclassics in Hamburg, Christian Toetzke, erklärte das strategische Konzept, das hinter dem Auf- und Ausbau neuer Formen von sportlichen Großveranstaltungen steckt. Er erläuterte seine Erfahrungen, wie Spitzen- und Breitensport miteinander erfolgreich verknüpft werden können. Er veranschaulichte dieses deutlich an dem neuen Projekt, das Thema „Fitness“ als kompetitive Sportgroßveranstaltung populär zu machen. Hajo Seppelt, Experte für Doping im Sport, moderierte das Panel. Die Diskussion wurde durch Beiträge ergänzt, die Lars Wichert, Sportsoldat der Bundeswehr und Goldmedailiengewinner im Deutschland-Achter und im Doppel-Vierer, passend aus dem Publikum einwarf.
Panel 3: Nachhaltigkeit und Strategie
Wie gelingt es, Strategien so aufzustellen, dass ihre Wirkungen nachhaltig bleiben, war das Thema des dritten Panels, das von der NDR-Journalistin Ulrike Heckmann moderiert wurde. Harry Assenmacher, Geschäftsführer der Forest Finance Service GmbH, diskutierte mit dem ehemaligen Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms Professor Dr. Klaus Töpfer und mit Professor Dr. Stefan Bayer, einem Experten für Klimawandel an der Führungsakademie der Bundeswehr.
Töpfer und Assenmacher waren sich in ihrer Position sehr nahe. Während Töpfer nach einer Strategie fragte, „ob Friedenspolitik ein Aufrüstungspotential bedingt oder ein Abrüstungspotential mit Blick auf eine Verteilung der Güter“, betonte Assenmacher den Punkt, „in den Regionen den Familien eine Perspektive zu geben.“ Dieses sei gegeben, „wenn eine Familie ein Haus bauen und sein Geld verdienen kann. Durch Arbeit zur Sicherung der Existenz beizutragen, ist der größte Beitrag zu Perspektive und Frieden.“ So sei es seine Vision, an einem weltweiten Bauernhof mitzuarbeiten.
Bayer war es, der auf die Bedeutung von Trade-offs hinwies. Nach Bayer kommt es sehr darauf an, „dass alle externen Kosten in einer volkswirtschaftlichen Rechnung berücksichtigt werden müssen.“ Das gilt beispielsweise auch dafür, die Kosten durch Waldverlust zu beziffern, nur weil die denkbare Aufforstungsfläche für andere Investitionen genutzt werden.
Ausblick auf das GIDS
Rogg und Meißner zogen ein prägnantes Fazit zum Abschluss. „Strategischer Diskurs ist notwendig. Die Maßstäbe hierzu sind Phantasie, Geduld und Humor.“ Strategie „hat immer etwas mit Auswahl zu tun. Strategie hat etwas mit Vermittlung zu tun. Und Strategie hat etwas mit der genauen Kenntnis des Umfeldes zu tun“, so Meißner in seinen Abschlussworten. Und an die Bundeswehr gab es von Seiten der Teilnehmer einen Appell: Es gelte ein sachliches Verhältnis der Gesellschaft zur Bundeswehr zu definieren. Zugleich gilt es aber auch, ein sachliches Verhältnis der Bundeswehr zur Gesellschaft zu finden. Die Sachlichkeit in dem Prozess sei jedoch oftmals nicht zu erkennen.