Der Traum von einer regelbasierten Weltordnung – und die Wirklichkeit der deutschen Verteidigungspolitik

#GIDSdebate special I 26. Juni 2023 I Autor: Christian Lauw I Foto: UN / Joao Araujo Pinto

Zum ersten Mal fand Mitte Juni die #GIDSdebate im Special!-Format statt – an der Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg, in Präsenz und per Livestream.

Impulsgeber Professor Dr. Jörg Schimmelpfennig, Senior Research Fellow des GIDS, sprach vor rund 30 Besuchern zur Umsetzbarkeit einer regelbasierten Weltordnung. „Si vis pacem para bellum“, bereits im Jahre 43 v. Chr. von Marcus Tullius Cicero in der 7. Philippica angemahnt, war auch ein zentrales Element des Vortrages: „Willst Du Frieden, bereite Dich auf den Krieg vor.“ Soll heißen: Auf internationalen Regeln beruhender Frieden sei nur durch Armeen durchsetzbar. Anhand eines Beispiels aus der Spieltheorie zeigte Professor Schimmelpfennig, dass bereits innerhalb von Militärallianzen Bündnispartner immer einen Anreiz haben, von Vereinbarungen abzuweichen und sich auf Kosten der anderen Partner als Trittbrettfahrer zu versuchen. Ein Beispiel dafür sei Deutschland, das sich nach dem Zerfall des Warschauer Paktes immer wieder der Illusion einer Friedendividende hingegeben hatte – deutsche Politiker hätten sogar noch nach Annexion der Krim und vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Einmarsches in die Ukraine die Einhaltung der Nato-Vereinbarung, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in Verteidigung zu investieren, als „sinnlose Aufrüstung“ deklariert.

Professor Schimmelpfennig beklagte die mangelnde Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner und mahnte die Notwendigkeit einer Aufklärung der Bevölkerung über die Rolle von Armeen als notwendiges Instrument zur Friedenssicherung an – ganz im Sinne des Mottos des Strategic Air Commands: „Peace is our profession.“ Dem Westen insgesamt empfahl er, sich vom Traum einer regelbasierten Weltordnung zu lösen und sich auf Cicero zurückzubesinnen. Nur wenn der, der Frieden fordere, auch über die militärischen Mittel zu dessen Durchsetzung verfüge, könne die Forderung glaubwürdig vertreten werden. Als Beispiel nannte er die Monroe-Doktrin: So habe während der Venezuela-Krise 1902 der damalige US-Präsident Theodore Roosevelt diese Doktrin umgesetzt, indem er dem Versuch des deutschen Kaiserreiches, in Südamerika Fuß zu fassen, mit der Androhung einer militärischen Intervention ein Ende setzte.  

In der anschließenden angeregten Diskussion beleuchteten die Teilnehmer diese Thesen und deren mögliche Folgerungen: Sollte der Westen wirklich geschlossen aus der UNO austreten? Ist der Weltsicherheitsrat ein zahnloser Tiger und die UNO nutzlos? Welche Weltordnung wollen wir eigentlich und wer soll die entsprechenden Regeln durchsetzen? Und inwieweit kann die Monroe-Doktrin bei der Suche nach einer regelbasierten Weltordnung helfen?

Viele Fragen, die in dem Appell mündeten, dass Deutschland sich rüstungspolitisch mehr anstrengen müsse, um „international weiterhin mitspielen“ zu können. Glaubwürdigkeit sowie Handlungs- und Zukunftsfähigkeit seien die bestimmenden Faktoren im Wettstreit mit Systemrivalen.