Konkurrent oder Partner? – Die ambivalente Beziehung zu China
Hamburger Diskurs 2019
China hat eine Vision „Den 100 Jahresplan“: Im Jahr 2049 möchte die Volksrepublik „die“ Weltmacht – „das Königreich der Mitte“ sein. Aus einem weltumspannenden Netz aus Handelsrouten und Wirtschaftskorridoren soll die „Neue Seidenstraße“ werden. Pekings Einfluss auf dem Wasser soll weltweit ausgedehnt, Häfen, Bahnstrecken und Straßen zwischen China, Afrika und Europa ausgebaut werden. Diese Vorhaben bereiten vielen Menschen Sorge. Aus diesem Grund hat die Denkfabrik, das „German Institute for Defence and Strategic Studies“ (GIDS), zum „Hamburger Diskurs“ geladen. Im Mittelpunkt der 14. Veranstaltung stand dazu Thema „China als strategische Herausforderung“.
Umgang mit dem Reich der Mitte
Ist China Konkurrent oder Partner? Ist es richtig, nervös zu sein oder ist dies doch eher übertrieben? Welche Chancen und Risiken gibt es im Umgang mit dem sogenannten „Reich der Mitte“? Diese Fragen lockten am 10. Juli 2019 rund 150 Interessierte in das Manfred-Wörner-Zentrum der Führungsakademie der Bundeswehr (FüAkBw) zum „Hamburger Diskurs 2019“ des German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS). Durch den Abend führte Jörn Thießen, Leiter der Fakultät Politik, Strategie und Gesellschaftswissenschaften an der FüAkBw.
China – Konkurrent und Partner
Dr. Volker Stanzel, ehemaliger Botschafter in Peking und Tokio, führte mit seinem Impulsvortrag „Make China Great Again – Chancen und Risiken des Umgangs mit Peking“ in das Thema des Abends ein und gab einen Überblick über Chinas politische und wirtschaftliche Ziele der letzten Jahrzehnte bis heute unter dem derzeitigen Staatspräsidenten Xi Jinping. Stanzel betrachtete dabei sowohl die positiven als auch negativen Auswirkungen in wirtschaftlicher, politischer als auch sicherheitspolitischer Hinsicht. So nannte er konkret Chinas Aneignen fremder Technologien und dem daraus resultierenden Vertrauensverlust auf der einen und den boomenden Elektromarkt mit einer großen Auswahl auf der anderen Seite, die zu einem ambivalenten Verhältnis gegenüber China führten. „Das macht viele nervös“, so Stanzel. „China ist ein Konkurrent, ein Systemwettbewerber und ein Partner.“ Deutschland und China seien zeitgleich gemeinsam wirtschaftlich gewachsen und machte damit deutlich, dass Deutschland vom Wirtschaftswachstum Chinas direkt profitiere.
Der ehemalige Botschafter berichtete den Zuhörern aber auch von der totalen Überwachung der chinesischen Bürger und dem dort vorherrschenden sozialen Bonussystem. So führe bein „Bei Rot über die Straße gehen“ zu sozialem Punktabzug und einer möglichen automatischen Geldstrafe. Ein Leihfahrrad ein paar Meter weiter abzustellen, also genau dort, wo ein entsprechender freier Platz ist, kann wiederum Pluspunkte bringen. Dieses Vorgehen beschrieb er als „System der autoritären Gängelung“, in dem die Bürger zum „richtigen Handeln“ im Sinne ihres Gesellschaftssystems erzogen werden sollen. Er erwähnte ebenfalls den Einsatz von physischer Gewalt gegen oppositionelle Kreise, die unvereinbar mit unserem Verständnis von Demokratie und Freiheit sind. Andererseits sei könne China aber auch durch seine Beteiligung an UN-Einsätzen als Stabilitätsfaktor in der Welt gesehen werden.
Hamburg mit China lange verbunden
Wie wichtig die Handelsbeziehungen zwischen Hamburg und China sind, wurde auch bei der anschließenden Podiumsdiskussion deutlich. Dr. Torsten Sevecke, Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, berichtete von der Handelspolitik des Hamburger Senats mit China und verdeutlichte anhand von Zahlen die wirtschaftliche Verquickung und Abhängigkeit vom Reich der Mitte. So haben 40 Prozent der Waren, die von und nach Hamburg verschifft werden, mit China zu tun. Hinzu kommen 235 Eisenbahnanläufe in beide Richtungen pro Jahr. Trotz der guten Beziehungen würden neben den Chancen immer auch die Risiken im Hinblick auf die Handelsbeziehungen zu China beurteilt. So reagiere die Hansestadt bei Übernahmeangeboten mittlerweile eher ablehnend.
Dass China als dominierende Kraft wahrgenommen wird, bekräftigte auch Gunter Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg e. V.. Deutschland sei seiner Meinung nach auf den Handel und ein Miteinander mit China angewiesen und beschrieb China als einen zuverlässigen Partner. Seitens der deutschen Politik hingegen vermisst der Wirtschaftsvertreter hingegen eine eigenständige konsistente China-Strategie. Stanzel warf ein, dass hier vor allem der Spagat zwischen eigenen wirtschaftlichen Interessen, die für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China sprechen, und den unterschiedlichen Wertesystemen schwierig sei. Deutschland sei einer der wenigen Staaten, die trotz des großen Interesses an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Wertekonflikte ansprechen. Alles andere würde Deutschland auch im Sinne der chinesischen Kultur unglaubwürdig machen. Er sprach sich für eine engere Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft im Rahmen einer gemeinsamen China-Strategie aus, an der es derzeit fehle.
Einig waren sich alle drei Referenten darin, dass die EU geeint als Ansprechpartner gegenüber China auftreten müsse, denn nur die EU sei ein Handelspartner auf Augenhöhe.
Auch die „Combined Aid 2019″-Übung der Bundeswehr mit chinesischen Streitkräften in Feldkirchen wurde angesprochen. Während es in deutschen Medien und von der Bundeswehr als gemeinsame Katastrophenschutzübung beworben wird, sehen chinesische Staatsmedien diese Übung mit einem der größten NATO-Partner als strategischen Erfolg und Neupositionierung der chinesischen Streitkräfte weltweit. Unter anderem habe man die weltweite Verlegefähigkeit chinesischen Truppen damit eindrucksvoll demonstrieren können.
Basierend auf den Beitrag des Dezernats Informationsarbeit der FüAkBw.
Fotografin: Lene Bartel