„An erster Stelle steht die Einsatzfähigkeit“
Im Interview: Ministerialrätin Peggy Staffa, Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung
#GIDSinterview I 13. März 2023 I Autoren: Mario Assmann und Christopher Kruse I Foto: Bundeswehr
Mit einem kleinen Team widmet sie sich einem weiten Feld: Ministerialrätin Peggy Staffa ist die Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung des Bundesministeriums der Verteidigung. In dieser Eigenschaft hat sie das German Institute for Defence and Strategic Studies besucht – und sich in einem Workshop über die dortige Forschung zum Themenkomplex Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Energiesouveränität und die künftige Rolle von Streitkräften informiert.
Frau Staffa, hinter Ihnen liegt ein intensiver Tag mit Vorträgen, Präsentationen und Diskussionen im GIDS. Welche Bilanz ziehen Sie?
Dass sich der persönliche Austausch zu Zukunftsthemen immer lohnt. Wichtig ist, dass man sich erst einmal kennenlernt, bevor man in Projekten zusammenarbeitet. In der Möglichkeit, die Expertise des GIDS nutzen zu können, und damit die Expertise der Führungsakademie wie auch der Universität der Bundeswehr Hamburg, sehe ich eine Bereicherung. Das hilft im notwendigen Transformationsprozess der Streitkräfte sehr.
Welche konkreten Themen oder Projekte sind zur Sprache gekommen?
Wir haben uns sehr intensiv zu unserem gemeinsamen Ziel ausgetauscht: der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Für das GIDS ist es ja kein Selbstzweck, wissenschaftliche Arbeiten abzuliefern, wenn ich das so sagen darf. Genauso wenig ist es für mich Selbstzweck, überall ,Nachhaltigkeit‘ ins Mikrofon zu rufen. Stattdessen geht es darum, unsere Streitkräfte zukunftsfähig zu machen. Dazu dürfen wir nicht im Status Quo verharren.
Wo sehen Sie Kooperationsmöglichkeiten mit dem GIDS?
Meine Absicht ist, Referenzprojekte herauszuheben, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, in den Teilstreitkräften oder auch in unseren Beteiligungsgesellschaften für nachhaltige Entwicklungen stehen. Beispielsweise eine Liegenschaft, die sich perspektivisch energieautark betreiben lässt. Oder Maßnahmen zur Personalbindung; schließlich wollen wir die Menschen, die wir mit großem personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand geworben haben, so lange wie möglich an uns binden. Daraus wird deutlich: Nachhaltige Entwicklung spielt in alle Bereiche hinein. Es ist mehr als nur Klima- und Umweltschutz. Und da kann das Know-how des GIDS einen wichtigen Beitrag leisten.
Welchen Einfluss können Sie als Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung nehmen, damit Projekte, Konzepte und Strategien tatsächlich Wirkung entfalten?
Zunächst einmal möchte ich feststellen: Ich begrüße die Entscheidung, das neue Element ,Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung‘ auf Leitungsebene zu implementieren. Letzteres sendet die Botschaft: Nachhaltigkeit ist ein strategisches Ziel – und mehr als Klima- und Umweltschutz, welches in einem Fachreferat bearbeitet wird. Daneben bin ich mit Funktionen ausgestattet, die der nachhaltigen Entwicklung Gewicht verleihen. So bin ich zugleich die Ressortbeauftragte, das heißt: Ich vertrete die Position des Geschäftsbereichs BMVg auch nach außen, etwa gegenüber dem in Sachen Nachhaltigkeit federführenden Bundeskanzleramt. Ferner kann ich intern als auch extern für nachhaltige Entwicklung werben und Partner wie das GIDS gewinnen, um Aktivitäten voranzutreiben.
Und das müssen sie mit einem vergleichsweise kleinen Team schaffen, dem Sie und drei Mitarbeiter angehören.
Korrekt. Ich glaube, dass man da noch ein wenig nachlegen und auf sechs bis sieben Dienstposten gehen kann, aber auch nicht mehr. Denn die Größe allein macht es nicht. Man muss agil bleiben und über einen divers aufgestellten Personalkörper verfügen. Insofern ist es mir lieber, mit einer kleinen Mannschaft strategische Prozesse anzustoßen. Für das Operative, die Umsetzung, haben wir im Ministerium sehr gut aufgestellte Fachreferate sowie einen sehr großen nachgeordneten Bereich.
Nachhaltigkeit ist zweifellos ein wichtiges Ziel. Zugleich aber muss die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen. Mit einem durch Sonne, Wind oder Wasser angetriebenen Panzer lässt sich derzeit nicht machen. Wie wollen Sie diesen Widerspruch auflösen?
Nachhaltigkeit und die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr stehen keineswegs im Widerspruch. So leistet die Bundeswehr einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, indem sie ihren Auftrag erfüllt und für Frieden und Sicherheit sorgt. Schließlich kann Nachhaltigkeit nur in Frieden und Sicherheit gelebt werden. Gleichwohl müssen wir das Thema nachhaltige Entwicklung vertiefen, um verteidigungsfähig zu bleiben. Dazu bedarf es einer ehrlichen Auseinandersetzung damit, was Technik heute ermöglicht und morgen ermöglichen könnte, etwa mit Blick auf Antriebsysteme oder auf den Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Energien. Klar ist: Wenn wir uns nicht mit Nachhaltigkeit beschäftigen, also mit dem möglichst schonenden Einsatz von Ressourcen, sind wir irgendwann nicht mehr verteidigungsfähig.
Wenn auch Nachhaltigkeit und Einsatzfähigkeit keinen Widerspruch darstellen: Muss eines von beiden priorisiert werden?
Auch Nachhaltigkeit ist kein Selbstzweck. An erster Stelle steht das Ziel, die Einsatzfähigkeit. Die damit verbundenen Fragen lauten: Wie werden künftige Kriege geführt? Wie sieht eine verteidigungsfähige Bundeswehr aus? Wie muss die Ausrüstung beschaffen sein? Wie stellt sich die Lage beim Personal dar? Haben wir überhaupt noch die Frauen und Männer, die das Gerät bedienen können und 30 bis 40 Dienstjahre bestreiten wollen? Wer sich damit beschäftigt, ist ganz schnell bei nachhaltiger Entwicklung. Und da Nachhaltigkeit viel mit Resilienz zu tun hat, müssen wir auch darüber nachdenken, wie sich Standorte autark betreiben lassen. Wir können uns nicht einfach auf die zivile Infrastruktur abstützen. Stattdessen müssen wir uns im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung, ebenso bei Einsätzen, autark aufstellen.
Einfacher und schneller wäre es wohl, Solaranlagen zu installieren. Bei 1.500 Liegenschaften hat die Bundeswehr erhebliches Potenzial. Warum wird das nicht kurzerhand gehoben?
Ich bin da ganz bei Ihnen. Das könnte ein Masterprogramm werden. Das Potenzial von mehr als 33.000 Gebäuden innerhalb der Bundeswehr für Fotovoltaikanlagen zu nutzen, wäre ein sichtbarer Beitrag unseres Geschäftsbereiches zur Klimaneutralität in der Bundesverwaltung. Um dahinzukommen, müssen wir unsere Strukturen stärker auf die Zielerfüllung ausrichten, mehr auf die Umsetzung als auf Prozesse fokussieren. Das ist der Inbegriff nachhaltiger Entwicklung. Und da haben wir eine Menge an Transformation zu leisten, alle miteinander.
Sie sagten eingangs: Die Bedeutung von Nachhaltigkeit zu kommunizieren, ist eine Ihrer wichtigsten Aufgaben. Wie gehen Sie diese Aufgabe an?
Im Prinzip mit einem klaren Dreiklang der Kommunikation. Erstens: der Appell, nachhaltig zu handeln. Zweitens: das Verständnis dafür zu vertiefen, warum wir das alles tun. Das kommt ja nicht aus dem luftleerem Raum, sondern geht zurück auf die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und diese wiederum auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen zurück. Drittens: der Dialog mit den Angehörigen im Ministerium und in der Bundeswehr. Dieser Dialog ist mir ausgesprochen wichtig; dabei möchte ich in Erfahrung bringen, wo man bereits nachhaltig agiert. Und diese Projekte möchte ich als Positivbeispiele sichtbar machen.
Genannte Strategie und Agenda verfolgen einen umfassenden Ansatz. In der öffentlichen Debatte wird Nachhaltigkeit aber allzu oft auf den ökologischen Aspekt reduziert. Woran liegt das?
Nachhaltigkeit ist Haltung, Einstellung, Handlungsprinzip. Schaut man etwa bei Kleidung darauf, woher das Produkt kommt, wer an dem Herstellungsprozess beteiligt war und wie der Preis zustandekommt, ist man sehr schnell bei den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Allein der Verzicht auf Plastiktüten macht es nicht. Kurzum: Mir ist es wichtig, Nachhaltigkeit als Maxime zu verstehen für ressourcenschonendes Leben und Arbeiten. Das kann, auch wenn uns das schwerfällt, zu Einbußen beim Wohlstand führen, ermöglicht aber den nachkommenden Generationen ebenso ein lebenswertes Leben.
Frau Staffa, vielen Dank für das Gespräch.
Ministerialrätin Peggy Staffa nimmt seit 1. August 2022 die Funktion als Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung wahr. Als Ressortkoordinatorin vertritt sie den Geschäftsbereich nach innen wie nach außen. Von 2019 bis 2021 war die Volljuristin und Diplomverwaltungswirtin (FH) Büroleiterin der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Zuvor arbeitete Ministerialrätin Staffa als Referentin im Bundeskanzleramt und in der Sächsischen Staatskanzlei. In ihrer Heimatstadt Leipzig wirkte sie mehr als zehn Jahre lang als Stadträtin und rund 17 Jahre als Aufsichtsrätin der dortigen kommunalen Verkehrsbetriebe.